Ich konnte mich heute morgen nicht für den Markt in Otavalo begeistern und motivieren, obwohl er sehr schön sein soll. Irgendwie war mir die Anreise, mit Metrobus, mit Taxi und mit einem weiteren Bus und ca. drei Stunden pro Weg zu aufwändig. Besser ist wahrscheinlich, wenn man einen Tag hin fährt, sich Otavalo und Umgebung anschaut und am nächsten Tag zurück nach Quito fährt. Ich hätte natürlich auch eine Tour buchen können, aber die sind hier in Ecuador unverhältnismäßig teuer. Bei einem Anbieter war der Preis für diese Tour 55 USD bei vier Teilnehmern und 80 USD bei zwei Teilnehmern.
Außerdem hat Quito eine Attraktion, die mich heute mehr interessierte, die Markierung des Äquators. Also ging es heute nach „El Mitad del Mundo“. Ich frühstückte gemütlich im Hostel und fuhr gegen 10:00 los. Ich nahm den Metrobus (blaue Linie) bis zur Endhaltestelle am Busterminal El Ofelia. Von dort gibt es einen Bus nach El Mitad del Mundo. Kurz nach 11:30 kam ich an. Ich bezahlte für die Fahrt 0,50 USD, also würde ich für den ganzen Ausflug 1 USD an Fahrtkosten bezahlen. Nur mal zum Vergleich eine Tour zum Äquator hätte 35 USD bei vier Personen und 45 USD bei zwei Personen gekostet. Auch bei der Tour hätte man alle Eintrittspreise auch noch zusätzlich zahlen müssen.
Zuerst fesselte ein sehr modernes Gebäude neben „El Mitad del Mundo“ mein Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht, was mal in diesem Gebäude sein wird. Ich schrieb mir aber den Namen des Architekten auf: Diego Guayasamin. Am Abend googelte ich den Architekten. Ein junger Architekt, der schon einige Preise National und international gewonnen hat. Sehr interessant.
„El Mitad del mundo“ heißt übersetzt „Die Mitte der Welt“ und so wird der Ort genannt, an dem ein Denkmal steht, welches an die erste Bestimmung des Äquators durch französische Wissenschaftler angeführt von Charles Marie de la Condamine im Jahre 1736 erinnert. Der Ort gleicht heute Disneyland. Es wurde eine sogenannte „Cuidad Mitad del mundo“ also eine „Stadt der Mitte der Welt“ um das Denkmal gebaut. Dies ist ein künstliche Ortschaft mit Cafés, Restaurants, Souvenir-Shops. Dafür muss man dann 3 USD Eintritt bezahlen. Mit den Mitteln von 1736 hat man die Position des Äquators sehr gut bestimmt, aber nicht exakt, d.h. der Äquator ist 240m im Norden. Dies wusste ich vorher schon und wahr irgendwie skeptisch gegenüber dem ganzen Rummel. Alle Fotos, die hier gemacht werden, mit einem Bein auf der Nordhalbkugel und mit dem anderen auf der Südhalbkugel stehend, sind nett, aber zeigen halt eigentlich nur, das ein Mensch über einer Linie auf der Südhalbkugel steht. Nehme ich es mal wieder zu genau? Ja. Meine Kamera hat ein eingebautes GPS, d.h. wenn ich ein Foto mache und Satellitenverbindung habe, wird die aktuelle Position bestimmt und die GPS-Koordinaten werden auf dem Foto gespeichert. Die Fotos, die ich am Denkmal gemacht habe, haben die Position 0 Grad, 0 Minuten, 7 bzw. 8 Sekunden Süd.
Ca. 130/140m weiter nördlich vom Denkmal gibt es das Museo Sol Inti Ñan, welches für sich beansprucht, exakt auf dem Äquator zu stehen, was aber auch nicht stimmt. Hier zahlt man 4 USD Eintritt und bekommt einen großen Mischmasch an Informationen aber wenig wissenschaftlich fundierte Informationen geboten, was teilweise natürlich trotzdem interessant und teilweise amüsant ist.
Es fing an mit Schrumpfköpfe, die ein Stamm aus dem ecuadorianischen Amazonas-Gebiet, früher herstellt hat. Dies war natürlich wirklich interessant, auch wenn es mit dem Äquator nichts zu tun hatte. Die Herstellung eines Schrumpfkopfes war wie folgt: der Kopf eines Feindes wurde vom Körper abgetrennt, dann wurde die Haut vom Rest des Kopfes getrennt. Die Haut wurde 30 Minuten über dampfendem Wasser geschrumpft. Danach wurde der Mund zugenäht und die Haut getrocknet, dazu wurde ein Stein in die Hauthülle getan, so dass die Haut die Form einer Kugel wieder bekam. Das Ergebnis war dann noch ca. 6 cm groß und wurde vom Krieger als Trophäe um den Hals getragen.
Es gab noch eine Hütte eines anderen Stammes aus dem Amazonas-Gebiet sowie eine Hütte aus den Anden sowie verschiedene Beschützer der Erde aus verschiedenen Kulturen und natürlich die Linie des Äquators zu sehen. Die Bilder, die ich im Museo del Sol Inti Ñan machte, haben die Position 0 Grad, 0 Minuten, 2 bzw. 3 Sekunden Süd. Ich fragte natürlich nach, da mit keinem Wort bei der Führung erwähnt wurde, dass der Äquator an einer anderen Stelle ist. Naja die Antwort war schwammig. Die GPS-Bestimmung in den Kameras wäre falsch etc.. Naja meine Kamera mag sicher nicht das genauste GPS-System der Welt haben, aber auch wenn ich Google Map nutze, erhalte ich die gleichen Infos wie mit der Kamera.
Dann kam der Teil der Führung der zum Erstaunen der Touristen da ist. Es gab eine Vorführung, wie das Wasser in den Abfluss fließt. Die Behauptung war auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn und auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn. Ich hatte dies vor Jahren, als ich in Australien war, schon mal nachgelesen und hatte noch im Kopf, dass dies Blödsinn ist. Ich habe dies auch heute Abend noch einmal im Internet nachgelesen und es ist Blödsinn. Nun kommt das große Aber. Die Führerin stellte ein Waschbecken mit Wasser auf die Äquatorlinie in dem Museum, zog den Stöpsel und das Wasser floss ohne Wirbel ab. Dann nahm sie das Waschbecken, stellte es zwei Meter südlich von der Äquatorlinie auf, füllte den gleichen Betrag an Wasser ein, zog den Stöpsel und das Wasser floss mit einem Wirbel im Uhrzeigersinn ab. Was dann passierte, ist klar. Oder? Sie nahm sie das Waschbecken, stellte es zwei Meter nördlich von der Äquatorlinie auf, füllte den gleichen Betrag an Wasser ein, zog den Stöpsel und das Wasser floss mit einem Wirbel gegen Uhrzeigersinn ab. Ich habe es gesehen. Und dummerweise weiß ich ja auch noch, dass eigentlich das Waschbecken immer auf der Südhalbkugel stand. Ich kann es nicht erklären. Da war doch Trickserei im Spiel. Oder?
Gut gelaunt fuhr ich dann wieder mit Bus und Metro zurück zum Hostel. Im Hostel habe ich natürlich etwas zum Thema gelesen. Ich fand einiges Interessantes.
U.a. fand ich, in welcher Zeit und warum die Messung des Äquators durchgeführt wurde. Es war die Zeit der Diskussion über die Form der Erde. War die Erde dick oder dünner am Äquator? Lt. Wikipedia „Die 1730er-Jahre waren aber vor allem die Zeit einer großen grundsätzlichen Debatte der Physik: der Frage nach der Erdfigur. Während die traditionelle Lehrmeinung in Frankreich (vertreten unter anderem von Jacques Cassini) ganz nach Descartes annahm, dass die Erde wie ein Wirbel am Äquator enger war als an den Polen, vertraten vornehmlich jüngere Wissenschaftler, darunter auch La Condamine und Pierre-Louis Moreau de Maupertuis, die „englische“ Auffassung nach Newton, die ganz im Gegenteil davon ausging, dass die Erde an den Polen abgeflacht war und somit am Äquator breiter. Um diesen Streit zu beenden und die „wahre“ Gestalt der Erde zu ermitteln (was auch für präzise Kartographie von enormer Bedeutung war) wurden zwei Expeditionen gebildet, die jeweils die Messung eines Meridians vornehmen sollten: Während Maupertuis nach Lappland aufbrach, um am Polarkreis einen Längengrad zu messen, wurde La Condamine Mitglied der zweiten Expedition, die nach Südamerika an den Äquator – in das damalige Vizekönigreich Peru – geschickt wurde.“
Und zu Charles Marie de la Condamine fand ich in Wikipedia folgende nette Episode: „Gemeinsam beschlossen er und Voltaire 1729–1730 die Pariser Lotterie zu „knacken“: Hintergrund war eine Berechnung La Condamines, nach der man einen Reingewinn von etwa 1 Million livres erzielen würde, wenn man die Gesamtheit der Lose aufkaufte. Den beiden gelang der Coup – der zuständige Minister hatte sich verkalkuliert – und sie gewannen jeweils 500.000 livres bei dem Geschäft.“
Der französischen Expedition, die die Messung des Äquators unter Leitung von Charles Marie de la Condamine durchführte, gehörte auch Jean Godin an. Dieser heirate nach der achtjährigen Expedition, in der noch wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt wurde, eine Peruanerin. Ja und zu den beiden gibt es ein Buch: „Die Frau des Kartographen“. In Amazon steht zum Inhalt des Buches „Eigentlich war Jean Godin nach Südamerika gekommen, um mitzuhelfen, ein wissenschaftliches Problem zu lösen: Welchen Umfang hat die Erde und welche Form? Gleicht sie eher einer Zwiebel, wie die Anhänger Newtons glaubten, oder ist sie am Äquator gleichsam eingeschnürt, wovon Descartes überzeugt war? Die Messungen, die Charles Marie de la Condamine 1735–45 unter abenteuerlichen Bedingungen im Andenhochland durchführte und an denen Jean Godin maßgeblich mitwirkte, lösten das Rätsel um die wahre Gestalt der Erde. Während die meisten Expeditionsteilnehmer 1745 nach Frankreich zurückkehrten, blieb Jean Godin noch im spanischen Vizekönigreich Peru. Er heiratete Isabel Grameson, eine junge Frau aus der peruanischen Oberschicht. 1749 wollte auch er mit seiner jungen Familie nach Frankreich segeln. Um Frau und Kind unnötige Strapazen zu ersparen, vielleicht aber auch aus Abenteuer- und Forschungslust, erkundete er vorab allein den Weg zum fernen Hafen an der Ostküste. Politische Wirren hielten ihn fast 20 Jahre in der Wildnis von Guayana fest. Die vielen Briefe, die er und Isabel sich schrieben, erreichten nie ihr Ziel. Als dann auch noch ihr gemeinsames Kind starb, brach Isabel zu einer beispiellos gefährlichen Reise auf, um Jean endlich wiederzusehen: Mit Zofen und Dienern gelangte sie zum Amazonas-Strom, fand sich jedoch bald allein, ohne Nahrung, Waffen oder Kleider, im tiefsten Dschungel wieder. Nur die Sehnsucht hielt sie am Leben.“ Es gab nur die englische Version für meine Kindle-App, so lese ich diese seit heute, nachdem ich das Buch über Simon Bolivar nun schon beendet habe.
Ach und noch eine Info fand ich im Internet. Es gibt die archäologische Stätte Catequilla aus der vorkolumbianschen Quitu-Cara Zeit, die exakt auf dem Äquator steht.
Dies ist mein 300.Blogeintrag! Ich hätte nicht gedacht, dass dieser heute so lang und umfangreich wird. An dieser Stelle Euch vielen Dank fürs Lesen meines Blogs!
Hasta mañana Birgit