Heute bin ich nach dem wiederum sehr guten Frühstücksbuffet im Hostel KulturCafe Berlin in das Casa de la Libertad gegangen. Dies ist das wichtigste Haus für Bolivien und hier habe ich dann einen Einblick in die bolivianische Geschichte bekommen. In dem Haus wurde die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben und hier tagte das erste Parlament von Bolivien. Es waren viele Informationen, die ich während der Führung erhielt und mal schauen, was davon hängengeblieben ist.
Zu Kolonialzeiten gab es unterschiedliche Klassen. Es gab die Spanier, die in Spanien geboren wurden. Diese hatten die meisten Rechte. Es gab die Spanier, die in Südamerika geboren wurden. Diese wurden Kreolen genannt und sie hatten weniger Rechte als die Spanier, die in Spanien geboren wurden. Dann gab es die Mischlinge von Spaniern und Indianern, Mestizen genannt, sowie die Indianer. Der Start der Unabhängigkeitsbestrebungen von Südamerika von Spanien war zu Beginn ein Kampf der Kreolen gegen die Spanier um gleiche Rechte. Erst nach einer Weile und mit dem Wissen über die Ideen der französischen Revolution und des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes entwickelte sich die Idee der Unabhängigkeit für Südamerika von Spanien. Dafür kämpften die Kreolen. Es gab keine Spanier in ihren Reihen. Die Kreolen bildeten die militärische und wirtschaftliche Elite des Unabhängigkeitskampfes. Die Mestizen und Indianer waren die Soldaten. Die Unabhängigkeitsbewegung für Südamerika startete hier in Bolivien 1809, aber Bolivien war das letzte Land, welches 1826 seine Unabhängigkeit deklarierten konnte. Am 6.8.1826 wurde die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet und damit der Staat Bolivien gegründet, der fünf Tage lang Bolivar hieß. Da Bolivar aber ein Familienname ist, änderte man den Namen von Bolivar in Bolivien. Die großen Kämpfer für die Unabhängigkeit waren Simon Bolivar und Antonio José de Sucre. Beide wurden im heutigen Venezuela geboren. Sucre war General in der Armee von Bolivar. Beide unterzeichneten nicht die Unabhängigkeitserklärung von Bolivien, da sie nicht von hier waren, aber interessanterweise war Bolivar der erste Präsident von Bolivien. Er hatte das Amt 5 Monate inne und dann wurde Sucre der zweite Präsident von Bolivien. Er war 2,5 Jahre im Amt. Sucre schuf die ersten Staatsstrukturen. Nach ihm wurde die Stadt Sucre, in der ich aktuell bin, benannt. Die Stadt hatte vorher drei andere Namen La Plata, Chuquisaca und einen weiteren Namen, den ich aber vergessen habe. 1899 kam es zu einem Bürgerkrieg zwischen La Paz und Sucre. La Paz akzeptierte Sucre als Hauptstadt nicht. La Paz gewann und seitdem sind die Legislative (Gesetzgebung eines Staates) und die Exekutive (ausführende Gewalt eines Staates) in La Paz, die Judikative (Rechtsprechung eines Staates) ist weiterhin in Sucre. Simon Bolivar hatte die Vision von einem Staat in Südamerika nach der Unabhängigkeit von Spanien. Er schuf nach Rückkehr aus Bolivien nach Venezuela Großkolumbien, dem gehörten die heutigen Staaten Peru, Venezuela, Kolumbien und Ecuador an. Die Idee eines Großkolumbiens hatte aber wenig Anhänger und als Simon Bolivar krank war und sein Tod sich abzeichnete, wurde Sucre ermordet, da die Gegner der Idee von Großkolumbien befürchteten, dass Sucre Nachfolger von Bolivar werden würde und die Idee von Großkolumbien weiter verfolgen würde. Nach dem Tod von Bolivar zerfiel Großkolumbien in die genannten Staaten.
Eine interessante Geschichte zur Heirat von Sucre wurde uns noch erzählt. Sucre war zu dieser Zeit Präsident von Bolivien. Seine Braut lebte in Lima. Da Frauen damals wohl nicht reisen durften und Sucre als Präsident auch nicht reisen konnte, schickte er einen Freund nach Lima. Dieser heiratete dann die Braut im Namen von Sucre.
Nach der Führung im Casa de la Libertad bin ich etwas durch die Stadt geschlendert. Ich versuchte auch eine eintägige Wandertour für morgen zu den Felsmalereien in Inkamachay und Pumamachay zu finden, aber da war ich erfolglos. Es gab keine weiteren Interessenten und so wurde das Minimum für die Wandertour nicht erreicht. Schade. Ich war auch in einem Café mit gutem Internetzugang und konnte alle Fotos der Wanderung zum Maragua-Krater ins Internet laden. Außerdem war ich in Recoleta, einem Stadtberg mit einer Kirche und schönem Ausblick über die Stadt. Sucre ist auf sieben Hügeln gebaut und so geht irgendwie jede Straße bergab oder bergan.
Am Dienstag wollte ich mit dem Bus nach La Paz fahren. Als ich mich heute mal nach einem Bus erkundigte, erfuhr ich, dass die Straße zwischen Potosí und Oturo durch Demonstrationen blockiert ist und dass erst einmal kein Bus diese Strecke fahren kann. Die Blockade geht wohl schon ein paar Tage, aber ich hatte bisher nichts davon gehört. Es geht wohl um die Aufteilung der Wahlbezirke für die anstehende Wahl im Dezember. Keiner kann sagen, wie lange die Blockade dauern wird. Lt. Klaus, dem Besitzer der KulturCafes Berlin, werden die Blockaden üblicherweise am Wochenende geöffnet, aber dies ist mit dieser Blockade nicht passiert und in der Zeitung steht, dass die Maßnahmen noch verstärkt werden. Ich könnte jetzt einen Bus nehmen, der eine andere Strecke fährt und evtl. in 24 Stunden in La Paz ist. Puh… Ich habe geschwind nach Flügen geschaut. Ich habe zwar keinen Direktflug mehr bekommen, aber ich werde am Dienstag von Sucre nach La Paz fliegen und hoffe, dass das Umsteigen in Santa Cruz klappt. Das ist Bolivien. Davon hatte ich bisher noch nicht wirklich etwas mitbekommen, aber Blockaden sind wohl normal. Der Bus, der in 24 Stunden in La Paz ist, hätte mich 20 Euro gekostet. Für den Flug habe ich 100 bezahlt. Dies ist zwar einiges mehr, aber irgendwie aus europäischer Sicht immer noch nicht zu teuer.
Hasta mañana Birgit