Es war wieder recht kalt in der Nacht und ich spüre die Höhe von 4000m. Ich wache nachts auf und japse nach Luft. Auch beim Laufen merke ich es. Potosí ist recht hügelig und es gibt immer wieder, einen kleinen Anstieg zu bewältigen. Ich japse dabei manchmal ganz schön. Ich hoffe, dass sich dies in ein paar Tagen gibt.
Nach einem sehr dürftigen Frühstück habe ich zuerst mein Busticket für morgen nach Sucre gekauft. Dies konnte ich genialerweise gleich im Hostel kaufen. Um 8:45 war ich dann bei Big Deal, um mit ihnen unter Tage in den Berg Cerro Rico zu gehen. Ich hatte kurz die Befürchtung, dass ich vielleicht als einzige die Tour gebucht habe, da gestern noch keine weitere Anmeldung existierte und da die Tour mit 150 Bolivianos also 15 Euro teurer ist als andere Touren. Die Tour, die vom Hostel angeboten wird, kostet 90 Bolivianos also 9 Euro. Meine Befürchtung war unbegründet, wir waren 18 Leute und ich traf auch die Neuseeländer von gestern wieder. Da der Minibus von Big Deal nicht für 18 Leute ausreichte, wurde kurzerhand ein Taxi engagiert. Wir hatten zwei Führer Efra und Pedro. Beide haben im Teenageralter angefangen, in den Minen zu arbeiten und sind nun als Guide tätig. Wir fuhren zuerst zum Markt der Bergarbeiter, dort gibt es alles, was der Bergarbeiter gebrauchen kann, vom Essen bis zur Ausstattung unter Tage. Und es gibt dort Sprengstoff inkl. Zündschnur und einem Stoff, der die Gewalt der Explosion verstärkt, für 20 Bolivianos also 2 Euro zu kaufen. Dafür muss man keinen Ausweis zeigen oder sich irgendwie registrieren lassen. Unglaublich. Wir kauften jeder eine Art Geschenketüte für die Bergarbeiter, die wir unter Tage treffen würden. Darin war eine Flasche mit Saft, eine Tüte mit Kokablättern und zwei Schreibhefte für die Kinder der Bergarbeiter. Uns wurde kurz erklärt, dass die Kokablättern aus La Paz die besten Kokablättern seien. Man nimmt die Kokablättern hier ohne den Blattmittelteil und jeder Bergarbeiter nimmt pro Tag eine Tüte von ca. 15cm x 20cm x 3cm Größe. Wir hatten auch etwas Zeit, um über den Markt zu schlendern. Dann ging es zu einem Haus des Touranbieters, in dem wir Schutzkleidung bekamen. Es gab Gummistiefel, eine Hose und ein Hemd, einen Helm mit Lampe und einen kleinen Rucksack, in dem wir die Geschenke und unser Wasser tragen konnten. Außerdem gab es eine Atemmaske, die aber sehr einfach war. Dann fuhren wir zu dem Ort, an dem aus den Steinen, die aus der Mine herausgebracht werden, die einzelnen Mineralien gewonnen werden. Früher war das Gestein 85% Silber, heute ist es 85% Abfall. Die Steine werden zu Pulver gemahlen und dann mittels chemischer Prozesse getrennt. Am Ende hat man z.B. Zink und Silber. Dieses Pulver wird dann exportiert. Bolivien selbst hat keine Fabrik, dieses Pulver selbst weiter zu verarbeiten. Der Guide sagte, dass Bolivien erst Silber exportiert, um es dann wieder in anderer Form zu importieren. Dies ist ja schon ein wenig Blödsinn. Und dann fuhren wir zum Cerro Rico. Der Berg selbst gehört dem Staat. Der Staat selbst hat die Produktion aufgegeben, da dies für ihn wohl nicht produktiv genug war. Seitdem wird der Bergbau von Kooperativen oder von einzelnen Bergarbeitern betrieben, diese müssen einen Anteil ihres Gewinnes an den Staat zahlen. Der Berg ist ausgehöhlt wie ein Schweizer Käse. Jeder kann graben, wo er möchte, innerhalb und auch außerhalb des Berges. Insgesamt gibt es wohl 10000 Bergarbeiter im Berg. Die Bergarbeiter lernen ihr Handwerk vom Vater oder Großvater. Es gibt keine Schulen dafür. Es gibt auch keine Pläne zum Abbau oder zum Tunnelsystem. Alles beruht auf Erfahrung. Die Bergarbeiter bauen die Steine ab und transportieren sie mit Schubkarren nach draußen. Dann verkaufen sie die Steine zur Weiterverarbeitung. Der Erlös wird dann in der Kooperative geteilt. Also ist irgendwie jeder Bergarbeiter selbstständig und hat keinen Boss. Und wie geschrieben, abgebaut wird, wo nach dem Wissen der Bergarbeiter Gestein liegt, welches wertvoll ist. Wir waren zuerst in der Mine Rosario, sind dann durch die ehemalige staatliche Mine gelaufen und die Tour endete in der Mine Santa Elena. Wir sind also in ein Loch in den Berg hinein und sind aus einem anderen Loch auf der anderen Seite des Berges wieder heraus gekommen. Hier unterscheiden sich wohl die Touranbieter, andere Touranbieter gehen in eine Mine rein und nehmen den gleichen Rückweg wie der Hinweg. Ja und wenn ich schreibe „gelaufen“, klingt dies sehr relaxt, aber es war anstrengend. Häufig waren die Gänge nicht sehr hoch. Die Luft war staubig. Wir stiegen auch durch ein ca. 1m breites Loch drei Leitern nach oben. Ich japse teilweise ganz schön nach Luft. Aber wir verbrachten nur ein oder zwei Stunden unter Tage. Die Bergarbeiter verbringen mehrere Stunden täglich und dies über Jahre in der Mine. Wir trafen einige Bergarbeiter bzw. man suchte sie, damit wir sie treffen konnten. Der erste war 22 und arbeitet seit seinem 15 Lebensjahr unter Tage. Einer war 45 Jahre als und arbeitet schon 22 Jahre in der Mine. Alle hatten Kokablättern im Mund. Unser Guide sorgte dafür, dass jeder ein Geschenk von uns bekam. Alle freuten sich. Ein Bergarbeiter verdient wohl mehr als ein Polizist. Der Beruf ist angesehen und die Leute sind wirklich stolz auf ihre Arbeit. Wir kamen auch zum sogenannten Teufel. Es beschützt die Bergarbeiter. Sie opfern ihm Kokablättern und Schnaps und zwar 96% Schnaps. Diesen gibt es in Plastikflaschen wie Wasser auf dem Markt der Bergarbeiter zu kaufen. Man gibt etwas vom Schnaps dem Teufel und trinkt ihn selbst und zwar unverdünnt. Unverdünnt deshalb weil man damit hofft, dass das gefundene Gestein auch unverdünnt also pur Silber ist. Kokablättern habe ich nicht mehr probiert, aber den Schnaps. Ich war froh, dass ich davon nicht blind geworden bin. Wie kann man dies nur trinken. Unsere beiden Guides, einer für die Führung in englischer und einer für die Führung in spanischer Sprache, starteten mit dem Nehmen der Kokablättern mit dem Beginn der Führung. Das Standardpaket war dann nach der Führung auch leer. Nach der Führung fühlte ich mich als hätte ich selbst in der Mine gearbeitet, matt, müde und hungrig. Ca. 14:30 waren wir wieder in der Innenstadt von Potosí.
Eigentlich wäre eine Dusche notwendig gewesen, aber der Hunger siegte vor der Dusche. Ich landete in einer Pizzeria und aß Pasta. Ein grosser Flachbildschirm war angeschaltet und füllte den Raum mit bolivianischer Musik und dazu liefen die Videos. Schlimm, aber interessant anzusehen und anzuhören. Alle Titel waren gleich. Es spielte immer irgendeine Band und dazu tanzten im Minirock begleitete Schönheiten oder spazierten im Bikini begleitet durch das Bild. Wobei die Schönheiten nicht mehr ganz frisch waren und auch nicht wirklich schön meiner Ansicht nach. Der Tanz beschränkte sich auf eine Schrittfolge von 4 oder 5 Schritten und war immer gleich. Es war langweilig und kaum erträglich. Ein kleines Mädchen, welches zum Restaurant gehörte, ließ ab und an einen Titel zwei Mal spielen, weil es ihm so gut gefiel. Sie bewegte dann den Kopf von rechts nach links, so dass die Zöpfe hin und her schwenkten. Mit den Füßen klopfte sie den Takt. Es war richtig nett, sie zu sehen, wie sie in die Musik versank. In dem Restaurant traf ich auch einen Ecuadorianer wieder, der vorher auch mit mir auf der Tour wieder. Von ihm erhielt ich noch ein paar Tipps zu Bolivien und Ecuador, aber auch den Hinweis, dass das Essen hier in Bolivien nicht wirklich toll wäre. Hmm dies war mein Eindruck hier in Potosí auch bisher und ich hatte gehofft, dass dies evtl. nur in dieser Stadt so ist. Okay dem ist wohl nicht so.
Bisher hatte ich von Bolivien nicht viele Bilder gesehen, aber die Frauen mit dem Hut, den dicken Strumpfhosen, den bunten Faltenröcken, den weißen Blusen und der dicken übergeworfenen Decke kannte ich. Ja und diese sieht man nicht nur ab und an, sondern sie sind wenigstens hier in Potosí ganz normaler Teil des Straßenbildes. Auf dem Markt konnte ich heute schon ein paar Fotos davon machen.
Hasta mañana Birgit