Um 7:30 war es noch recht dunkel, was mich sehr verwunderte, aber nach einem Blick auf die Zeit des Sonnenaufgangs war alles klar. Die Sonne geht derzeit hier kurz nach 8:00 auf und kurz nach 20:00 am Abend unter. Bis kurz vor 9:00 blieb ich deshalb im Bett und dann frühstückte ich und startete zu meiner heutigen Tour. Zuerst ging ich zum nahegelegenen Tahai-Komplex. Gestern hatte ich die Figuren nur gegen die Sonne gesehen und fotografieren können. Am Morgen scheint die Sonne den Figuren ins Gesicht, natürlich nur den Figuren, die einen Kopf haben…
Vom Tahai-Komplex sah ich schon mein heutiges Tagesziel, der Vulkan Rano Kau, in dessen Nähe Hanga Roa liegt. Ich war nördlich des Ortes und der Vulkan liegt südlich. Also musste ich einmal durch den Ort, was nicht so problematisch ist, weil der Ort ja nicht groß ist. Ich kam u.a. am Markt vorbei. Hier machen es sich manche Verkäufer ganz bequem. Sie laden ihre Waren nicht vom Pickup ab, sondern verkaufen sie direkt vom Pickup. Also einfach Ladeklappe auf und eine Waage und eine Kasse hingestellt und schon verkaufen sie Obst und Gemüse, aber auch Fleisch vom Pickup.
Im Süden des Ortes Hanga Roa liegt der Flughafen und hinter der Landebahn der Vulkan, also musste ich um die Landebahn herumlaufen. Der Weg auf den Vulkan ist ausgeschildert mit „Orongo“ und führt auf den 324m hohen Vulkan. Er ist nicht die höchste Erhebung der Insel, die beiden anderen Vulkane sind höher. Der höchste Punkt der Insel ist 511m hoch. Dies klingt nicht sehr spektakulär. Die Osterinsel ist aber der Teil der Vulkane, der aus dem Wasser schaut. Die Vulkane sind ca. 3000m hoch vom Meeresboden aus gesehen. Ich bin also auf den Vulkan Rano Kau gelaufen. Man kann aber auch mit dem Auto hoch fahren. Es ist ein sehr schöner Weg hinauf, der einem auch einen schönen Blick auf Hanga Roa bietet und auf das landende 12:00-Flugzeug, wenn man den Weg gerade um 12:00 entlang läuft, so wie ich heute. Oben angekommen eröffnet sich ein toller Blick in den Krater des Vulkans, in dem ein Kratersee ist. Der Durchmesser des Kraters ist auf Kratersee-Level 1,1km und auf der Höhe des Kraterrandes 1,5km.
Der Weg führt dann am Kraterrand nach Orongo. Orongo ist ein Dorf, welches nur für zeremonielle Zwecke gebaut und genutzt wurde. Die ersten Häuser wurden im 15. oder 16.Jahrhundert errichtet. Orongo liegt direkt zwischen Kraterrand und Meeresklippe mit Blick auf die drei vorgelagerten Inselchen Motu Kao Kao, Motu Iti und Motu Nui. Der Grund für die Ausrichtung von Orongo nach den Inseln ist, dass das Orongo für den Tangata-Manu-Kult (Vogelmann-Kult) errichtet wurde und die Vögel Tangata immer im Frühjahr zum Brüten nach Motu Nui kommen. Orongo wurde also nur im Frühjahr genutzt zur Vorbereitung auf den Wettbewerb, wer als erstes ein Ei des Tangata dem König bringt. Am Wettbewerb nahmen die Chefs der Stämme oder die ausgewählte Repräsentanten der Chefs der Stämme teil. Die Teilnehmer gingen die Klippen herunter und schwammen zur 1,4km entfernten Insel Motu Nui und warteten dort in Höllen auf die Ankunft der Vögel. Wurde das erste Ei gefunden und dem König überreicht, war der Gewinner der nächste Tangata-Manu (Vogelmann). War der Gewinner ein Repräsentant eines Chefs eines Stammes, so wurde sein Chef der nächste Tangata-Manu. Der Tangata-Manu war Tapu und lebte das folgende Jahr in zeremonieller Einsamkeit. Der letzte Wettbewerb fand 1867 statt.
Während der Nutzung von Orongo im Frühjahr fanden auch andere Zeremonien statt wie z.B. die Überführung der Kinder zu den Erwachsenen. Diese Zeremonie fand in einem Haus in Orongo statt, vor dem ein Moai (2,42m, 4t) stand. Der Moai heißt Hoahakananai’s, was der „gestohlene Freund“ heißt. Diesen Namen trägt er, weil er nicht mehr auf der Osterinsel ist, sondern von einer Expedition im frühen 20.Jahrhundert ins Britischen Museum nach London gebracht wurde. Dieser Moai ist einmalig, da auf seiner Rückseite umfangreiche Reliefabbildungen sind und da er aus Basalt gefertigt ist.
Orongo liegt wunderschön und die Häuser aus Basaltplatten und mit den Grasdächern sehen sehr schön aus. Es erinnert mich etwas an Irland. Es gibt auch eine Menge Petroglyphen in Orongo, aber leider kann man diese nicht bzw. nicht aus der Nähe betrachten.
Nachdem ich Orongo gesehen hatte, war die Frage für mich, wie sollte ich weiterlaufen. Ich wollte an die Ostküste der Insel zu dem Moai-Komplex Vinapu. Ich konnte den Weg, den ich gekommen war, zurückgehen oder die Straße nehmen. Eigentlich sah ich nur die beiden Alternativen bis ich am Kraterrand einen Weg sah und auf dem kamen mir Leute entgegen. Also nahm ich diesen Weg, der auf keiner meiner Karten eingezeichnet war. Eine ältere Japanerin hatte genau die gleiche Idee und so liefen wir zusammen. So lange der Weg am Kraterrand entlang führte, war alles problemlos. Dann fanden wir einen Weg, der in die richtige Richtung führte, der aber irgendwann nicht mehr als Weg in der Landschaft zu erkennen war und dann liefen wir querfeldein. Ich hatte meine Trekkingsandalen an und Hosen, die kurz über den Knien endeten. Dies war definitiv nicht die geeignete Kleidung für das Laufen durch meterhohes Gras und Büsche, aber es machte Spass und glücklicherweise schnitten die Gräser mir nicht in die Beine. Wir liefen so den ganzen Weg bis zum Moai-Kompley Vinapu. Meine Füßen waren danach schwarz und überall auf der Haut klebten die Samen der Gräser. Ja aber wir sahen die Insel von einer ganz tollen Seite. Wir liefen schätzungsweise drei Stunden von Orongo nach Vinapu.
Im Moai-Komplex Vinapu, der sich am anderen Ende der Landebahn des Flughafens befindet, sind alle Moai umgeworfen und nicht wieder aufgerichtet worden. Außerdem liegen zwei Moai-Köpfe auf der Erde und ein Moai-Kopf steht auf dem Boden. Interessant ist eine Mauer. Hier wurden die Steine so bearbeitet, dass sie ganz genau aufeinander passen. Ich hatte dies schon einmal in einem Fernsehbericht gesehen, aber weniger von der Osterinsel eher von Peru von Cusco und Machu Picchu.
Dann ging es immer entlang der Landebahn zurück nach Hanga Roa. Der Weg zurück dauerte noch einmal eine Gute Stunde. Etwas fußmüde kam ich Hanga Roa an und gönnte mir einen super erfrischenden Saft und einen Kaffee und danach brauchte ich dringend eine Dusche.
Ein toller Tag war dies heute.
Ist es eigentlich schlimm, dass ich alle in Venezuela gekauften Schokoladentafeln schon gegessen habe?
Hasta mañana Birgit