Valparaiso – Tag 2

Im B&B gibt es ab 9:00 Frühstück, also schlief ich entsprechend länger. Das Frühstück wird in einem Raum mit wunderbarem Blick über Valparaiso serviert. Alle Gäste sitzen zusammen, frühstücken und unterhalten sich. Mit mir frühstückten ein Kanadier und zwei Franzosen, die in Tahiti wohnen. Die Aussicht konnten wir erst nicht genießen, da der Nebel die Stadt noch fest im Griff hatte, aber so schnell wie der Nebel gestern Abend gekommen ist, so schnell zog er sich heute auch wieder Richtung Meer zurück. Aber den ganzen Vormittag über kam er immer wieder über die Stadt und zog sich wieder zurück.

Ich wollte mich heute etwas durch die Stadt treiben lassen und auch eines der ehemaligen Wohnhäuser von Pablo Neruda besuchen. Also machte ich mich 9:45 auf den Weg. Ich habe etwas überlegt, wie ich die nächsten Ereignisse beschreiben soll, ohne bei Euch Sorgen zu erzeugen. Dies ist, glaube ich, kaum möglich und auch dieser Satz, hat die Sorgen ja schon erzeugt. Mir geht es gut, aber ich wurde heute ausgeraubt. Und zwar bin ich vom Hostel zur Stadt gegangen und wartete auf einen Bus. Ich wollte den Bus einfach anhalten und lief also die Straße entlang, machte noch ein Foto von einem der Aufzüge. Kurz vorher überholte mich ein Mann, der drehte sich dann um und griff meine Handtasche, diese hatte ich quer über den Oberkörper hängen und der Gurt war sehr stabil. Er zehrte wie verrückt an der Tasche und ich an der anderen Seite. Glücklicherweise hatte er kein Messer oder irgendetwas anderes dabei. Irgendwann riss die Tasche, die Kamera fiel heraus und der Mann rannte mit dem Rest der Tasche weg. Ich nahm die Kamera und rannte hinterher. Er rannte in eine kleine Gasse und nahm die Treppen direkt neben dem Aufzug, den ich kurz vorher fotografiert hatte. Passanten hielten mich auf. Ich sollte ihn nicht weiterverfolgen. Sie riefen sofort per Telefon die Polizei. Ich sah noch wie er stoppte, meine Tasche in seinen Rucksack packte und gemütlich die Treppen weiter hoch ging.

Eine Frau nahm mich mit in ein gegenüberliegendes Restaurant und gab mir einen Kaffee. Ich war recht ruhig, weil ich wahrscheinlich die ganze Zeit meiner Reise wusste, dass dies irgendwann passieren würde. Ich spürte aber das mein Hals weh tat und jetzt registrierte ich, dass während des Kampfes um meine Tasche der Gurt an meinem Hals entlang gescheuert war. Die Frau tat eine Salbe drauf und dies brannte fürchterlich. Ein Mann, der auch in dem Restaurant arbeitet, gab mir sein Laptop, so dass ich die erste Mail an die Bank bzgl. Sperrung meiner Kreditkarte senden konnte. Ich bin beiden sehr dankbar für ihre Hilfe.

Während wir auf die Polizei warteten, machte ich eine Bestandsaufnahme, was mir gestohlen wurde:

– iPhone … So blöd, dass ich dies heute eingesteckt habt. Ich hätte es unterwegs nie gebrauchen können. Das dies nun weg ist, ist auch etwas meine Schuld.

– ca. 40.000 Peso, dies sind ungefähr 51 Euro … Ich hatte nur einen Teil des Geldes bei mir, der Rest war im B&B.

– Kreditkarte … Ich wollte zum Bankautomaten Geld abheben.

– Zusatzakku der Kamera … Blöd, aber ich habe einen weiteren Zusatzakku dabei.

– Schlüssel vom B&B … Unangenehm.

– Stadtpläne von Valparaiso … Nicht wichtig.

Da die Kamera bei dem Kampf um die Tasche rausgefallen war, habe ich die Kamera noch. Sie hat zwar nun eine Schramme, aber sie funktioniert. Wie schätze ich dies nun ein, irgendwie auch etwas Glück im Unglück gehabt. Ich muss mir nun eine neue Tasche kaufen und eine Geldbörse.

Dann kam die Polizei mit zwei Polizisten. Sie wollten gleich zur Polizeistation fahren und fragten, ob ich meinen Ausweis dabei habe. Nun gut, also wenn ich ihn dabei gehabt hätte, wäre er jetzt weg. Ich sagte, dass er im B&B ist. Die Kommunikation war ein Mix zwischen Spanisch und Englisch. Wir fuhren zum B&B. Im Viertel erregte natürlich die Ankunft eines Polizeiautos mit einer Ausländerin etwas Aumerksamkeit. Als wir am B&B waren, waren schon zwei weitere Polizisten bei der Besitzerin des B&B wegen mir. Ich telefonierte geschwind via Skype mit meiner Bank und sperrte meine Visa-Karte. Außerdem schilderte ich in Englisch, was passiert ist und der Angestellte des B&B übersetzte es für den Polizisten in Spanisch. Dann fuhren wir in Richtung der Polizeistation und stoppten aber zuerst bei einer kleinen medizinischen Station. Hier war alles sehr einfach eingerichtet und es gab keine großen technischen Geräte. Der Polizist meinte, dass der Arzt mal einen Blick auf meinen Hals werfen soll. Dies tat er. Er stellte nichts Schlimmes fest. Ich soll keine Creme draufschmieren, sondern es einfach heilen lassen. Vermutlich hat er damit sehr recht. Gut dann ging es zur Polizeistation. Drei Formulare mussten per Hand ausgefüllt werden: persönliche Daten, Tathergang, Wertermittlung des Raubes etc.. Danach wurde noch einmal eine Zusammenfassung im Computer erstellt, diese bekam ich dann auch als Kopie mit. Es gab auch etwas Wartezeit und in dieser unterhielten wir, die zwei Polizisten und ich, uns über meine Reise, Fussball und Sicherheit in Valparaiso. Es gibt 5-10 Fälle wie mich pro Tag. Als alles erledigt war, brachten sie mich zurück zum B&B. Wir stoppten noch einmal kurz bei dem Restaurant und ich konnte mich noch einmal bei der Frau und dem Mann bedanken. Sie luden mich sogar zu einem kostenlosen Mittagessen ein. Dies konnte ich unmöglich annehmen und tat es auch nicht. Ich war den beiden ja so dankbar. Also die beiden Polizisten waren wirklich sehr nett.

Im B&B umsorgten sie mich natürlich auch. Sie fragten bzgl. Geld und hier konnte ich sie beruhigen, ich hatte nicht mein ganzes Bargeld dabei und ich habe eine zweite Kreditkarte. Wir unterhielten uns dann eine ganze Weile. Ich wollte zwar noch einmal in die Stadt, einfach um das Erlebte durch Normalität abzuschütteln, aber wir sprachen lang und irgendwann war es dann schon etwas später und da wollte ich dann doch nicht mehr in die Stadt. Die Busfahrkarte für morgen nach La Serena hat mir die B&B-Besitzerin online gebucht, so musste ich auch nicht mehr zum zentralen Busbahnhof.

Wie fühle ich mich aktuell? Eigentlich ok, aber ganz normal sicher nicht. Über den Verlust meines iPhones ärgere ich mich über mich selbst, denn dies hätte ich verhindern können. Verloren gegangen ist dabei meine detaillierte Ausgabenliste für Chile und die Tipps, die ich für die Länder Bolivien, Peru und Ecuador während der Reise erhalten habe. Denn diese waren nur im iPhone gespeichert. Ich werde jetzt ohne Musik bei den langen Busfahrten auskommen müssen. Und in einer Stadt immer geschickt den Lonely Planet einsehen zu können, geht nun auch nicht mehr. Evtl. kann ich aber den Lonely Planet in einem Hostel als Buch ausleihen. Der Verlust der Kreditkarte führt nun dazu, dass meine Geldabhebungen nicht mehr kostenlos sind. Ich habe aber glücklicherweise die zweite Kreditkarte. Evtl. bekomme ich es aber auch geregelt, dass ich eine neue Kreditkarte zugeschickt bekomme. Dies wird sich zeigen. Der Verlust des Geldes ist sicher ärgerlich, aber verschmerzbar. Froh bin ich, dass ich die Kamera noch habe.

Morgen werde ich Valparaiso verlassen und hoffe, dass ich die Eindrücke auch hier lassen kann. Mein Hals wird auch heilen.

So ein Mist. Oder? Aber ich wusste, dass dies irgendwann passieren würde…

Bitte macht Euch keine Sorgen. Ich weiß, dass dies leichter gesagt als getan ist. Ich verspreche, dass wenn es mir nicht gut geht, ich die Reise abbreche. Dies wäre dann zwar mehr als ärgerlich, aber falls es mit dem Reisen nicht mehr geht, wäre es sinnvoll.

Irgendwann heute Abend ist mir eingefallen, dass es vielleicht nicht so ganz dumm wäre, mal meine ganzen Passwörter, die ich für diverse Online-Anwendungen genutzt habe, zu ändern. Dies habe ich dann auch gemacht, aber bei GMX kann ich mich nun nicht mehr einloggen und Mails lesen oder beantworten. Ich hoffe, dass ich dies morgen früh klären kann. Mein iPhone selbst kann ich nicht sperren, dies habe ich schon gegoogelt, dafür hätte ich es vorher dafür einrichten müssen und dies hatte ich nicht gemacht. Dumm dumm dumm, dabei ist es so einfach. Ich habe dies nun gleich bei meinem iPad gemacht.

Hasta mañana Birgit